Kuh-Projekt

Tierzüchtung - das geht auf keine Kuhhaut

Vom Deckbullen zum Samenspender

NatursprungDie meisten heutigen Kälber kommen nach künstlicher Besamung zur Welt. Nur bei der Mutterkuhhaltung dürfen Stiere mit Kühen auf der Weide mitlaufen und mit dem sogenannten Natursprung für Nachwuchs sorgen. Bei Milchkuh-Herden gibt es diese Rolle eines Deckbullen kaum noch. Ohnehin ist die Anzahl der Deckbullen heute sehr begrenzt. Die Auswahl der Stiere, die als Samenspender im Einsatz auf den sogenannten Besamungs-Stationen sind, ist exklusiv. Klar definierte, sehr enge Züchtungsziele werden durch eine scharfe Zuchtauswahl verfolgt, der nur die wenigsten Stiere genügen.

 

Spitzenvererber und Inzucht

"auf keine Kuhhaut gehen" ist
ein mittelalterlicher Ausdruck
für ein langes Sündenregister.
Die Vorstellung war, dass ein
besonders schlechter Mensch
vor dem Teufel steht und das
ihm vorgehalten Pergament, eine
Kuhhaut, nicht zur Auflistung
seiner Übeltaten ausreicht.

Die sogenannten Spitzenvererber, also solche Stiere, deren Zuchtwert am höchsten eingeschätzt wird, zeugen durch Samenspende teilweise 50 000 bis 100 000 Nachkommen! Weil nur noch ihre Gene vererbt werden und dann wieder nur die Gene eines oder weniger ihrer Söhne, werden die Kuhrassen immer einheitlicher. Auch die sogenannten Bullenmütter, die Mütter der Spitzenvererber, entstammen immer wieder den gleichen Linien. Die Inzucht ist hoch. Der Genpool verarmt. Kühe sehen wie Klone aus. Viele positive Merkmale der Kuhrassen verschwinden dabei, so auch die Widerstandskraft und die Anpassungsfähigkeit. Herden werden immer anfälliger für Krankheiten und müssen immer häufiger behandelt werden.

Zuchtwerte bei der Rasse Schwarzbunte beruhen zu 40 % allein auf dem Aussehen des Euters und der Zitzen! Durchgängig bei allen Kuhrassen bestimmt die Milchleistung 50 % des Zuchtwertes und damit dieWahrscheinlichkeit, daß die Kuh oder der Bulle zur Zucht herangezogen werden.


Melken und Antibiotika

"Melken" bezeichnet
den Vorgang der Milchgewinnung,
ob von Hand oder mit
einer Melkmaschine, ob bei
Kuh, Schaf oder Ziege.
"Melken" ist aber auch
ein Synonym für Ausbeutung.

Verheerend für die Gesundheit der Milchkühe sind die Züchtungsziele "leichte und schnelle Melkbarkeit". Damit die Melkmaschine besonders effektiv arbeiten kann, sollen Kühe ihre enorme Milchmenge von 50 kg Milch pro Tag in kürzester Zeit abgeben - in Minuten. Unter dieser Zuchtrichtung leidet die Widerstandskraft gegen Bakterien in den Zitzen. Euter-Entzündungen sind die weitverbreitete Folge bei Hochleistungskühen. Einige dieser Krankheitserreger sind auch für den Menschen gefährlich. In jedem Fall verändert sich die Milch und wird ungenießbar. Jede 5. Kuh wird wegen Euter-Entzündungen vorzeitig geschlachtet. Davor wurde die Kuh intensiv und immer wieder mit Antibiotika behandelt. Zwar darf die Milch von Tieren, die mit Antibiotika behandelt werden nicht an ein Milchwerk abgeliefert werden, doch gibt es immer wieder Nachweise von Antibiotika in der Milch und im Fleisch. Außerdem werden viele Milchkühe jedes Jahr vorbeugend mit Antibiotika behandelt in der Zeit in der sie nicht gemolken werden: in den Wochen vor der Geburt des Kalbes. Züchterische Fehlentwicklungen führen also zum Einsatz von Medikamenten, welche die Kühe ansonsten niemals bräuchten.


Antibiotika und multiresistente Keime

Antibiotika retten Leben. Sie bekämpfen krankmachende Bakterien im Körper. Die meisten Bakterien sind harmlos bis unverzichtbar. Sie sind Bestandteil der Darmflora und helfen bei der Verdauung. Bakterien sind auch die einzigen Organismen die Luft-Stickstoff verwenden und daraus Eiweiß herstellen können! Ob Brot, Wein oder Käse - Bakterien helfen bei der Lebensmittelerzeugung. Eine weitere wichtige Funktion ist der biologische Abbau von abgestorbenem Material - die Humusbildung.

Doch es gibt auch einige krankmachende Bakterien, die der Menschheit und Tieren schwer zu schaffen machen. Gegen sie wurden und werden Antibiotika entwickelt. In Megaställen bei der Tierzüchtung werden Antibiotika vorbeugend und allgegenwärtig eingesetzt. Dieser Missbrauch lässt die Wunderwaffe gegen tödliche Infektionskrankheiten - das Antibiotikum - stumpf werden. Denn Bakterien, die eigentlich vielmals harmlos sind, werden auf einmal resistent gegen Antibiotika und vermehren sich ungehemmt. Beispiele sind Escherichia, Staphylococcus, Klebsiella, Clostridium, Enterococcus und Pseudomonas - Arten. Multi resistent gewordene Stämme dieser Keime verursachen Wundinfektionen (Krankenhausinfektionen) lebensbedrohliche Organschäden und Blutvergiftungen (Sepsis). Man nennt sie zusammenfassend MultiResistene Erreger, kurz MRE.



Milchsog und Auszehrung

Auszehrung bei einer MilchkuhModerne Hochleistungs-Kühe geben ein vielfaches der Milchmenge, die ihre Ahnen hatten. Hochleistungskühe geben viel mehr Milch als Kälber - und wären es noch so viele - von ihnen trinken können. Eigentlich ist das eine genetische Fehlsteuerung. Die viele Milch, welche die hochgezüchtete Kuh täglich produziert, kostet das Tier viel Kraft. Viele Kühe leiden unter Auszehrung und daraus resultierenden Gesundheitsproblemen. Die Kuh muss extrem viel fressen um wegen der Milch, die sie gibt, nicht zu verhungern. Man nennt das auch den Milchsog. Der Milchsog erfordert, dass die Kuh kalorienreichere Futtermittel als Heu bekommt.